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Moralpanik vor der Fussball-WM

 

Als Protest gegen den drohenden Prostitutionskommerz soll die schwedische Nationalmannschaft die Fussball-WM in Deutschland boykottieren. Dieser Vorschlag des Gleichberechtigungs-Ombudsmannes gewann kaum Anhänger. Doch würde Schweden gern die eigene Politik in andere Länder exportieren. Kriminalisiert werden hierzulande ausschliesslich Freier und Zuhälter.

 

Mit grossen Erwartungen sehen schwedische Fans der WM in Deutschland entgegen. Aus der Qualifikation ist Schweden als Gruppensieger hervorgegangen. Und zum ersten Mal seit der -WM 2004 in den USA, von der das Nationalteam als Dritter heimkehrte, hat man endlich wieder eine schlagkräftige Mannschaft mit dem Juventus-Startrickser Zlatan Ibrahimovic als Sturmspitze. Der staatliche schwedische Ombudsmann für Gleichberechtigung Claes Borgström, ein trockener Karrierejurist, will das anders. Bleibt zuhause!, forderte er die Mannschaft, die sich die Teilnahme am Turnier gegen Kroatien und Bulgarien hart erkämpft hatte, zum WM-Boykott auf. Prostitution und Menschenhandel im Umfeld der WM soll mittels Fussball-Abstinenz bekämpft werden.Enttäuschte Fans und Spieler könnten sich ja damit trösten, dass es in vier Jahren wieder eine WM gibt.

 

Sein Vorschlag fand nur wenige Anhänger. Protest und Hohn hallten aus Leserbriefen und Bloggs zurück. Das vereinfachende Bild von Fussballfans als eine Horde saufender und hurender Radaubrüder werde von Leuten wie Borgström nur noch weiter verstärkt. Nun werde Schweden wohl bald auch die Charterreisen nach Thailand verbieten. Borgströms Freunde in der Politik aber nahmen den ausgespielten Ball dankbar auf. Nicht die Fussball-WM, die Bordelle müsse man schliessen, lautet die Taktik von Gleichberechtigungsminister Jens Orback. Schweden werde unmittelbar Druck auf Deutschland ausüben. Endlich wieder einmal ein Gebiet, auf dem Schweden sich nach mehrjähriger  Weltverbesserer-Abstinenz anderen Ländern wieder einmal als Vorbild anbieten kann.

 

Seit 1999 gilt in Schweden der Kauf sexueller Dienstleistungen als Delikt, für das bis zu sechs Monaten Gefängnis drohen. Wer sich prostituiert begeht keine illegale Handlung. In der Kriminaliserung der Freier ist Schweden unik. Damit hat sich die Sichtweise der FeministInnen durchgesetzt. Prostitution und Menschenhandel werden geschlechtsspezifisch als Form männlicher Gewaltausübung eingestuft. Frauen und Kinder sind die Opfer, Männer die Täter. Die Regierung hält sich zugute, dass inzwischen die Strassenprostitution abgenommen hat und die Zahl der Freier sinkt. Gegner sehen das Gesetz in erster Linie als zahnlose ideologische Markierung. Es sei ein Fehler, Prostitution und Menschenhandel in einen Topf zu werfen. Eine TV-Dokumentation versuchte jüngst auch nachzuweisen, dass die Prostitution nicht zurückgegangen sondern lediglich von der Strasse verschwunden sei. Im Untergrund und via Internet blühe der Sexhandel weiter, und locke jetzt nicht bloss harmlose Freier sondern auch eine steigende Zahl gewalttätiger und perverser Männer an. Das Statistische Zentralamt schätzt, dass die Prostitution in Schweden jährlich 100 Millionen Franken umsetzt.

 

Die Moralpanik anlässlich der Fussball-WM kommt der Regierung kurz vor den Reichstagswahlen gut zupass. Linksaussen hat sich nämlich die frühere Chefin der postkommunistischen Linkspartei Gudrun Schyman plaziert. Sie wird mit einer neuen Liste ”FI” (Feministisk Initiativ) zum politischen Turnier im September antreten, und hat die Bürger mit dem Vorschlag einer ”Männersteuer” verschreckt. Ginge es nach Wunsch der Radikalfeministinnen, dann würden mittels einer geschlechtsspezifischen Extrasteuer alle schwedischen Männer kollektiv für männliche Gewaltausübung gegenüber Frauen bestraft. Regierungschef Persson kann demgegebüber seine Mannschaft als massvolle und international aktive Alternative für feministisch gesinnte Wähler anbieten.