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Massnahmen zur Erhaltung der Wohlfahrt

Breiter politischer Konsens in Dänemark

 

In breiter Einigkeit haben die politischen Parteien Dänemarks ein relativ weit in die Zukunft reichendes Massnahmenpaket zur Veränderung des Wohlfahrtssystems vereinbart. Das Pensionsalter soll erhöht werden und die Arbeitslosen nimmt man drastischer an die Kandare. Immigranten soll in Zukunft ein Integrationsexamen abgenommen werden.

 

mat. Stockholm, 27.Juni

 

Fünf politische Parteien, die zusammen eine deutliche Mehrheit im Folketing haben, stehen hinter der Übereinkunft zu Reformen im Wohlfartssystem: die beiden Regierungsparteien, Venstre und Konservative, sowie Sozialdemokraten, Dansk Folkeparti und Radikale Venstre. Man ist sich darin einig, dass der öffentliche Sektor an eine überalternde Gesellschaft mit steigenden Kosten für Gesundheitswesen und Renten angepasst werden muss. Wer die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates sichern wolle, der müsse bereits heute aktiv werden, so der Grundtenor des Papiers. Mit steigender Lebenserwartung und dem bevorstehenden Rückzug der geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge aus dem Erwerbsleben stehe die Finanzierbarkeit für Renten und Pensionen, Alten- und Gesundheitspflege unter starkem Druck, weil noch dazu gleichzeitig die Steuereinnahmen sänken. 40,5 Jahre dauerte 1979 das durchschnittliche Erwerbsleben eines Dänen. 2005 waren es nur noch 38,5 Jahre. Zugleich stieg in diesem Zeitraum die Lebenserwartung um zweieinviertel Jahre an, sodass sich die durchschnittliche Rentendauer der Bürger von 19,25 auf 21,5  Jahre verlängerte.

Das Rentenalter werde daher bereits jetzt schrittweise an die absehbaren Verhältnisse angepasst, die in 10, 20 und 30 Jahren vorlägen. Indem man die Regeln für die Zukunft schon heute beschliesse seien die Folgewirkungen für den Einzelnen besser berechenbar, und man gebe mithin den Bürgern die Möglichkeit, sich zeitgerecht darauf einzustellen.

 

All jene, die bis Ende 2006 das 48.Lebensjahr vollendet haben sind von den neuen Pensionsregelungen nicht berührt, und es gilt für sie das bisherige System mit einem Pensionsalter von 65 und der Möglichkeit der Frühpension ab 60. Für alle jüngeren Jahrgänge wird das Pensionsalter erhöht. Zwischen 2019 und 2022 wird das Mindestalter für die vorzeitige Pensionierung gradweise von 60 auf 62 ansteigen. Das allgemeine Pensionsalter wird zwischen 2024 und 2027 auf 67 erhöht. Ab 2024/25 sollen dann die Altersgrenzen laufend mit der durchschnittlichen Lebenserwartung kalibriert werden.

 

Härtere Ansprüche an Arbeitslose

Aber nicht nur beim Pensionsalter will die dänische Politik den Hebel ansetzen. Je mehr Menschen erwerbstätig sind, desto besser für die Wirtschaft und für den Steuersäckel. Die dänische Wirtschaft ist gut in Schwung und die Arbeitslosigkeit niedrig. Immer mehr Branchen melden Arbeitskräftemangel an. Deshalb sollen nun auch jene in Arbeit gesetzt werden, die sich heute noch ausserhalb des regulären Arbeitsmarktes befinden. An die Arbeitslosen sollen härtere Ansprüche gestellt werden. Sie müssen sich häufiger bei den Arbeitsämtern melden als bisher um ihre finanzuelle Unterstützung zu erhalten. Das Ausbleiben soll mit finanziellen Sanktionen belegt werden. Die Arbeitsämter sollen therapieartige Aktivitäten künftig bleiben lassen und sich in erster Linie auf ,,Anstellungsgespräche" konzentrieren. Auch für Ältere sei auf dem Arbeitsmarkt durchaus Platz. Daher wird der bisherige längere Anspruch der 55-59Jährigen auf Arbeitslosengeld gestrichen, und es gelten gleiche Bedingungen für alle.

 

Erwerbstätigkeit sei auch der beste Weg zur Integration von Asylanten und Immigranten, heisst es in dem Papier. Bis 2010 soll daher die Beschäftigungsquote der Einwanderer um 6,5 auf  57 % erhöht werden. Die gegenwärtige gute Konjunktur und Arbeitskraftnachfrage gebe dafür die Voraussetzung, und auch für die Immigranten sollen die Anforderungen nach aktiver Bereitschaft bei der Arbeitsplatzsuche höhergeschraubt werden.

 

Studiengänge beschleunigen

Den gehobeneren Ansprüchen des Arbeitsmarktes will man mit einer Reihe von Massnahmen begegnen. Die öffentlichen Ausgaben für Forschung sollen ab 2010 ein Prozent des BIP beragen. Die dänische Jugend will man zu rascherer nachschulischer Ausbildung antreiben. Wer z.B. nach dem Gymnasium rasch ein Universitätsstudium beginnt, soll ab 2009 dafür einen Notenbonus erhalten, der zur Überwindung des Numerus clausus beiträgt. Obligatorische regelmässige Studienberatung soll zudem für ein rascheres Durchlaufen der Studiengänge und weniger Drop outs führen. Und die Gemeinden werden verpflichtet, sich aktiv für die bessere Ausbildung der weniger Qualifizierten zu kümmern.

 

Ein weiterer Punkt der Parteienvereinbarung betrifft die Immigration, wobei sich die Parteien der Linken nicht daran beteiligt haben. Die Regierung hat für diese Massnahmen lediglich die Unterstützung der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti erhalten. Den Ausländern soll deutlich gemacht werden, welche Regeln in Dänemark gelten, z.B. dass der Eintritt ins Erwerbsleben ein anstrebenswerter Integrationschritt sei. Wer eine zeitlich unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung in Dänemark erhalten will, wird sich demnach einem ,,Ingegrationsexamen" unterziehen müssen. Ungetestet willkommen sind hingegen hochqualifizierte Ausländer, für die auf dem Arbeitsmarkt Nachfrage besteht, und für die eine Green Card-Lösung eingeführt werden soll.

 

Mittels des Massnahmenpakets glauben die dänischen Politiker das Beschäftigungsniveau trotz der demografischen Entwicklung auf hohem Niveau halten und damit nicht zuletzt auf längere Sicht das Gleichgewicht im öffentlichen Haushalt sicherstellen zu können.