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Biotreibstoff als Zukunftsvision

Schweden will seine Erdölabhängigkeit beenden

 

mat. Stockholm, 5.Juli

 

Schwedens Land- und Forstwirtschaft sieht goldenen Zeiten mit Subventionen und Schutzzöllen für die Produktion von Energiepflanzen entgegen. Die Autoindustrie soll an der Entwicklung energieeffektiverer Fahrzeuge und neuer Treibstoffe mitwirken. Eine von Premier Persson eingesetzte Ölkommission sagte Nein zu russischem Erdgas und legte einen Plan vor, nach dem der Energiekonsum bis 2020 um 20% gedrosselt werden soll. Unklar ist die Finanzierung.

 

Mitten im laufenden Parlamentswahlkampf hat der schwedische Premier Persson einen Plan vorgelegt, der die Energieversorgung des Landes vom Erdöl unabhängig machen soll. Der Transportsektor wird heute zu 97% mit fossilen Treibstoffen betrieben. Bis 2020 soll nun der Benzin- bzw. Dieselverbrauch der Autos halbiert werden. Das heisse aber nicht, dass die Schweden dann weniger Auto fahren dürften als heute. Aber man werde es mit anderen Autos tun, die die Kraftstoffe wesentlich effektiver ausnutzten, beruhigte Persson das Publikum, das am 17.September zu den Wahlurnen gehen wird.

 

Seine Ankündigung machte er in der Funktion als Vorsitzender der staatlichen Ölkommission, die er selbst Ende vorigen Jahres eingesetzt hatte, wobei er eben den Vorsitz für sich selbst reservierte. Der gesamtschwedische Energiekonsum insgesamt soll bis zum Stichdatum um 20% gedrückt werden. Der Ölverbrauch der Industrie wird mit 25-40% gesenkt. Wohnungen, Häuser, Büros und andere Lokale sollen 2020 gänzlich ohne Erdölenergie beheizt werden. Diese Ziele seien äusserst realistisch, und er werde sie ,falls er wiedergewählt werde, in die Regierungserklärung einbauen. Jährliche Auswertungen der dafür nötigen Massnahmen würden folgen. Denn bisher seien die Schritte zur Energieeffektivisierung etwa so verlaufen wie -und der rundliche Persson kann da auf eigene Erfahrungen pochen- die undisziplinierten Abnehmversuche eines Übergewichtigen, der gleich wieder zum Kühlschrank laufe sobald die ersten fünf Kilo geschafft sind.

 

Neue Biobrennstoffe

Eine wichtige Rolle in dem Plan spielen die Biobrennstoffe wie Ethanol. Land- und Forstwirtschaft sollen die Rohstoffe dafür produzieren. Brachliegender Boden soll dafür in Anspruch genommen werden. Nach Einschätzung der Kommission könnte man bis zu einer halben Million Hektar zur Aufzucht von Energiepflanzen und Energielaubwäldern heranziehen. Durch effektivere Pflege solle darüber hinaus das Wachstum der Wälder um 15-20% erhöht werden. Die Grenze dafür werde in erster Linie von gegenläufigen Umweltzielen gezogen. Beispielsweise gebe es eine Reihe von Pflanzen- und Tierarten, die in grossangelegten Fichten- und Weidenpflanzungen nur schlecht gediehen. Für die angepielten Ziele seien gewaltige Investitionen nötig, die von Wirtschaft und Staat zusammen getragen werden müssten. So müsse der Staat dazu beitragen, dass genügend Raffinerien zur Herstellung von Biobrennstoffen "der zweiten Generation" zur Verfügung stünden.

 

Unterstützt werden soll auch die Weiterentwicklung des neuen Treibstoffs, DME (Dimethyläther), der aus Schwarzlauge hergestellt wird, einem Restprodukt der Zelluloseerzeugung. Dieses Spin off-Produkt  der einheimischen Papierindustrie könnte mithin 30% der fossilen Treibstoffe ersetzen. Volvo experimentiert seit längerem mit der Entwicklung von DME als Lastwagen-Treibstoff. Industrie und Staat haben bereits 350 Mio.sKr. in diese Forschung investiert.

 

Nein zu geplanter Gazprom-Gasleitung

Ein überraschend klares Nein sagte die Kommission zu Plänen der Firmen Eon und Gazprom für eine Erdgasleitung aus Russland nach Mittelschweden. Die sozialdemokratisiche Regierung hatte diese Idee ursprünglich stark unterstützt, doch Perssons Kommission hat jetzt von der Intention Abstand genommen Öl und Kohle in der Industrie durch Gas zu ersetzen. Der Grund: man befürchtet, dass eine erhöhte Erdgasanwendung den Treibhauseffekt beschleuningen und zudem den Übergang zu den neuen Bio-Brennstoffen verlangsamen könnte. Allerdings hat Eon-Chef Wulf Bernotat inzwischen angekündigt, man werde das Projekt auch ohne finanzielle Beteiligung des schwedischen Staates weitertreiben.

 

Wenig Neues hatte die Ölkommission zum Thema Kernkraft zu sagen, wenngleich Persson auf Journalistenfragen entgegnete, dass hier die Marschrichtung bereits festgelegt sei, und demnach die Atomkraft plangemäss aus dem Programm genommen werde. Dem widerspricht allerdings die Tatsache, dass die Regierung erst neulich den Plan des staatlichen Energiekonzerns Vattenfall unterstützt hat, die Lebensdauer der schwedischen KKW zu verlängern, wofür die stattliche Summe von 25 Mrd.sKr. eingesetzt werden sollen. Das wäre mehr als die Errichtung der KKWs ursprünglich gekostet hat. Die Stromerzeuger wiesen in ihrem Kommentar auch auf bislang ungenutzte Möglichkeiten zum weiteren Ausbau von Wasser- und Windkraftwerken hin.

 

Breiter Konsens aller Interessenten

Ein unbestreitbarerer Vorteil der Ölkommission war, dass sie nicht bloss aus Politikern, sondern aus hochrangigen Vertretern von Wirtschaft, Forschung, Land- und Forstwirtschaft sowie Energiewirtschaft zusammengesetzt war. In einem -vergessenen geglaubten- schwedischen Konsensverfahren scheint es Persson dabei geglückt zu sein, eine Win-win-Situation für sämtliche Beteiligten herzustellen. Ein Nachteil ist allerdings, dass die Kommission keinerlei Andeutungen zu den Kosten machte, die das Vorhaben verursachen wird, und wie hoch der Staat die Land- und Forstwirtschaft, die als klarer Gewinner des Energieplans gelten muss, zu subventionieren gedenkt. Die Kommission will noch dazu die einheimische Ethanolproduktion durch Zollschranken schützen. Kritiker merken dazu an, dass etwa Brasilien wesentlich billigere und energieeffektivere Biotreibstoffe aus Zuckerrohr produziert als die aus Getreidepflanzen gewonnenen schwedischen Produkte. Oppositionelle Kommentatoren weisen noch dazu säuerlich darauf hin, dass der schwedische Premier, der sich selbst einen Bauernhof mit grossem Areal als Alterssitz angeschafft hat, als künftiger Landwirt selbst bald zu den Nutzniessern des künftigen Subventionssystems gehören könnte.